Verkehrsrecht

Aktualisiert am 17.05.2019

Wer auffährt hat nicht immer Schuld

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Die Faustregel im Verkehrsrecht „wer auffährt, hat Schuld“ gilt nicht immer.

Eine der weit verbreiteten “Halbwahrheiten” ist die Formulierung “Wer auffährt hat Schuld”.
Im Einzelfall kann sich das Verschulden auch auf den Vorausfahrenden verlagern. In einem Gerichtsprozess ist die Verschuldensfrage von großer Bedeutung.

Zur Beantwortung der Verschuldensfrage bedienen sich die Richter eines sog. “Beweises des ersten Anscheins”. Der entscheidende Richter geht dann zunächst davon aus, dass der Auffahrende auch der Unfallverursacher ist.

Die allgemeine Lebenserfahrung, auf welcher der “Beweis des ersten Anscheins” gestützt ist geht davon aus, dass der Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden zu gering war bzw. eine zu hohe Geschwindigkeit vorlag.

Diesen “Beweis des ersten Anscheins” kann nun der Auffahrende widerlegen. Die Rechtsprechung hat einige Fälle anerkannt, in denen den Auffahrenden kein Verschulden trifft bzw. dem Vorausfahrenden ein Mitverschulden angelastet wird.

Beispielsweise wird in den sog. “Spurwechsel-Fällen” der Beweis des ersten Anscheins zerrüttet, wenn der Auffahrende beweisen kann, dass der Vorausfahrende in engem Zusammenhang mit dem Unfall die Spur gewechselt hat und dabei Straßenverkehrsordnung nicht beachtet hat.

OLG Hamm
Das OLG Hamm hat in einer Entscheidung (Urteil v. 30.10.2012, AZ.: I-9 U5/12) ausgeführt, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, der an einer roten Ampel von der Rechtsabbiegerspur auf die Linksabbiegerspur wechselt, niemanden gefährden dürfe. Sofern die Fahrzeuge beim Anfahren Zusammenstoßen, habe der Spurwechsler den höheren Schadensanteil zu tragen. Den anderen Fahrer treffe jedoch nach dem Rücksichtnahmegebot eine Mitschuld, da jeder Verkehrsteilnehmer den Verkehr vor sich beachten müsse, bevor er losfährt.

Zu nennen sind auch die “Einfädel-Fälle” auf Autobahnen. In diesen Fällen spricht sogar der Beweis des ersten Anscheines für ein Verschulden des Einfädelnden, da er ja der Vorausfahrende ist und es sich bei einer Kollision mit einem, die Autobahn schon befahrenden Fahrzeug um einen Auffahrunfall handelt. (Urteil des OLG Köln v. 24.10.2005 – 16 U 24/05).

Ergebnis
Zusammenfassen ist zu sagen, dass der Auffahrende keineswegs immer Schuld hat. Es ist daher davon abzuraten in solchen Situationen ein Schuldeingeständnis abzugeben. Vielmehr sollte man einen Rechtsanwalt aufsuchen, der unter konkreter Schilderung des Sachverhaltes die Lage rechtlich korrekt beurteilen kann.

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